Letztes Update: 6. Januar 2019
Hildegard von Bingen (1099 – 1179) gilt als Universalgelehrte, die durch eigene Ideen neue Heilmethoden für Körper, Seele und Geist ermöglichte. In von ihr beschriebenen Visionen legte sie den Grundstein für eine neue Volksmedizin, bei der sie die Heilkraft von Pflanzen, Steinen und einfachen Nahrungsmitteln erkannte. In ihrem Werk Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum („Buch über das innere Wesen der verschiedenen Kreaturen und Pflanzen“) beschäftigte sie sich mit der Wirkung verschiedenster Naturheilkräuter und Pflanzen. Die Leistung Hildegard von Bingens für die Naturheilkunde basiert auf der Zusammenführung des damaligen Wissens über Krankheiten und Pflanzen aus der griechischen-lateinischen Tradition sowie der Volksmedizin.
Harmonisches Leben mit Gott und der Natur
Der ganzheitliche Ansatz sowie der Gedanke der Einheit von Körper, Geist und Seele sind die grundsätzlichen Überlegungen zur ihren natur- und heilkundlichen Schriften. Eine geistlich-religiöse Komponente kommt hinzu, da sie der Auffassung war, dass Heil und Heilung des kranken Menschen allein von der Hinwendung zum Glauben bestimmt sei. Ihr Credo für die Gesundheit bestand also in einem harmonischen Leben mit Gott und der Natur.
Die Hildegard-Medizin basiert auf fünf Säulen, wobei eine ausgewogene Ernährung den Kernpunkt bildet: Der Auswahl der Nahrungsmittel kommt eine besondere Bedeutung bei der Rolle zur Prävention und Heilung von Krankheiten zu. In ihrem Ansatz zentral ist der angemessene Umgang mit den zur Verfügung stehenden Zutaten, alles Übermäßige lehnte Hildegard von Bingen ab.
Verwendung einheimischer Gewächse war ein Novum
Als Heilkräuter und Heilpflanzen verwendete Hildegard von Bingen auch einheimische Gewächse, was seinerzeit ein Novum war. Als besonders wichtige Heilkräuter schätzte sie Quendel, Bertram, Galgant und Meisterwurz.
Quendel (Thymus serpyllum) gilt als wilder Bruder des Thymians, hilft gegen Husten, stärkt die Verdauung und lindert Frauenbeschwedern. Zudem zeigt er auch gute Wirkung bei Gelenkschmerzen und Hautproblemen.
Der Bertram (Anayclus pyrethrum) ähnelt der Kamille, ist aber deutlich schärfer und wurde von Hildegard von Bingen als Heilkraut für die tägliche Ernährung entdeckt. Er wirkt nervenstärkend, verdauungsfördernd und positiv auf Angstzustände und Schlaflosigkeit.
Galgant (Alpinia officinarum) stammt aus der Familie der Ingwergewächse und inzwischen ein wichtiger Bestandteil der asiatischen Küche. Die Bitterstoffe und Flavonoide wirken stimulierend auf die Magen- und Gallensaftproduktion, kann Beschwerden wie Völlgefühl und Blähungen lindern.
Die Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) galt im Mittelalter als “Zauberwurzel” und wurde nicht nur für medizinische Zwecke eingesetzt. Gezielt kann die Pflanze, bei der allerdings Verwechslungsgefahr mit anderen Doldenblütlern besteht, gegen Husten, Rheuma, Zungenlähmung, Fieber und leichte Erkältungen wirken.
Kräuterkunde und Ernährungsidee der Hildegard von Bingen
Zur Kräuterkunde der Hildegard von Bingen gehören auch weitere Kräuter und Pflanzen, wie zum Beispiel Alant, Anis, Bibernelle, Bockshornklee Brennessel, Dill, Edelkastanie, Esche, Fenchel, Heidelbeere, Liebstöckel, Mistel, Schafgarbe, Schlüsselblume, Süßholz Tausendgüldenkraut, Thymian, Veilchen, Verbena, Wermut, Ysop.
In ihrem Ernährungsansatz spielt Dinkel eine zentrale Bedeutung, da Hildegard von Bingen der Auffassung war, dass der Mensch durch Dinkel von innen geheilt werden könne. Ihrer Ansicht nach sollte Gemüse, mit Ausnahme von Salat, nicht roh gegessen werden, sondern müsse gedünstet und gekocht werden. In der Hildegardschen Küche haben beispielsweise Bohnen, Edelkastanien, Karotten, Kürbis und Sellerie eine wichtige Funktion.
Theologisch-philosophische Erkenntnisse
Neben ihren für die Volksmedizin wichtigen Überlegungen wurde Hildegard von Bingen auch insbesondere auch für ihre theologisch-philosophischen Erkenntnisse bekannt. Als erste Nonne predigte Hildegard von Bingen in Mainz, Köln, Bonn, Würzburg und Bamberg öffentlich dem Volk die Umkehr zu Gott.
Da ihr Bruder Hugo in Mainz als Domkantor tätig war und sich weitere ihrer Verwandten in höchsten Kirchenämtern befanden, bekam sie den nötigen Einfluss, um auch von König und Papst angehört zu werden.
Schon zu ihren Lebzeiten wurde Hildegard von Bingen als Heilige und Wegweiserin verehrt. Neben ihren drei theologisch-philosophischen Hauptwerken Scivias („Wisse die Wege“), Liber vitae meritorum („Buch der Lebensverdienste“) und Liber divinorum operum verfasste Hildegard von Bingen auch medizinische Abhandlungen: Um 1150 schrieb sie Causae et Curae (Ursachen und Heilungen), in dem sie sich mit der Entstehung und Behandlung verschiedener Krankheiten beschäftigt.
Historienfilm und Literatur zu Hildegard von Bingen
Im Jahre 2009 erschien der von Regisseurin Margarethe von Trotta gedrehte Historienfilm „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“, der die Entwicklung der jungen Hildegard unter ihrer berühmten Magistra Jutta von Sponheim am Kloster Disibodenberg anschaulich zeigt. Barbara Sukowa erhielt für ihre Rolle als Hildegard von Bingen im Jahr 2009 den Bayerischen Filmpreis.
Wissenschaftlerin Barbara Fehringer beschäftigt sich mit ihrer 1994 veröffentlichten Studie unter dem Titel „Das Speyerer Kräuterbuch“ mit den Heilpflanzen Hildegards von Bingen. Autorin Barbara Stühlmeyer hat im vergangenen Jahr eine umfassende Biografie “Wege in sein Licht. Eine spirituelle Biografie über Hildegard von Bingen” verfasst.